Yogische Vollatmung - Anleitung

Yogische Vollatmung - Anleitung

Ein Gastbeitrag von Ines

Atem ist Leben. Mit ihm beginnt und endet unser aller irdisches Leben. Die yogische Vollatmung, zu der ich dir heute eine Anleitung aufzeige, unterstützt deine natürliche Atmung, weitet sie aus und erlaubt dir so, deinen Atem in alle Regionen deines Körpers zu schicken. Sie kann dir helfen, deine Atmung ganz bewusst wahrzunehmen und dich lehren, wie du achtsamer mit deiner Atmung umgehst.

Mehr zur yogischen Vollatmung, warum das WIE – die Qualität der Atmung – entscheidend ist und welche vier Phasen unsere Atmung ausmachen, findest du in diesem Beitrag auf meinem Blog.

Bevor ich dir aufzeige, wie du die yogische Vollatmung anwenden kannst, möchte ich dir mitgeben, während der Ausführung aufmerksam und achtsam mit dir, deinem Körper und deiner Atmung zu sein. Du wirst merken, dass dein Atemvolumen größer wird, jedoch ist das kein Wettbewerb. Ziel ist nicht, mit deiner nächsten Atmung abzutauchen, sondern den Rahmen zu finden, der für dich und deinen Körper zugänglich und wohltuend ist.

Legen wir also los!

01 Aufrechter Sitz oder Rückenlage

Du kannst dich als Grundposition für einen aufrechten Sitz oder die Rückenlage entscheiden. Wählst du den aufrechten Sitz, setz dich gerne leicht erhöht auf einen Block, ein Meditationskissen oder eine Decke. So kannst du dein Becken stützen, in deinen Hüften loslassen, deine Sitzbeinhöcker können sich erden und du verhilfst deiner Wirbelsäule zu mehr Aufrichtung. Startest du in Rückenlage, leg dir gerne eine Decke auf deine Matte und/oder auf deinen Körper, so dass du nicht auskühlst, oder stütze damit deinen Kopf. Du kannst dir ebenfalls ein Bolster unter die Knie legen, damit dein unterer Rücken ganz entspannt am Boden ankommen kann.

Deine Hände liegen sanft auf deinen Oberschenkeln oder Knien (sitzende Haltung) oder lang neben deinem Körper (Rückenlage), die Handflächen zeigen nach oben (Offenheit, Empfang) oder nach unten (Erdung, Verwurzelung).

Lass deine Aufmerksamkeit nach innen wandern, hin zu deinem Atem. Dieser fließt in einem natürlichen Rhythmus. Schlüpfe in die Rolle eines stillen Beobachters und folge deinen Atemzügen: Deiner Einatmung, der frischen und kühlen Luft und deiner Ausatmung, der warmen Luft, wie sie deinen Körper verlässt. Um den Fokus auf der Atmung zu halten, nutze z.B. ein Mantra, wie „Ich atme ein“ – „Ich atme aus“ oder noch kürzer „Ein“ bei jeder Einatmung und „Aus“ bei jeder Ausatmung.

Bleibe hier für etwa 1 Minute. Nimm dir diese Zeit, um deinen Geist zu beruhigen, anzukommen und dich auf die yogische Vollatmung vorzubereiten.

4-Phasen-der-Atmung

02 Bauchatmung

Leg deine Hände sanft auf deinen Unterbauch, den Bereich unterhalb deines Bauchnabels. Konzentriere dich auf diesen Bereich, lenke deine Atmung genau hier hin. Atme tief ein und nimm wahr, wie sich deine Bauchdecke nach oben hebt. Atme aus und nimm wahr, wie dein Bauch zurück nach innen sinkt. Deine Körpermitte bleibt dabei weiter entspannt.

Versuche mit jedem Atemzug deine Atmung tiefer werden zu lassen. Ruhig und gleichmäßig atmest du in deinen Bauch, ruhig und gleichmäßig atmest du aus.

Bleib mit deiner Aufmerksamkeit bei dieser tiefen Bauchatmung. Schenke ihr diese Zeit. Bleibe hier noch für einige Atemzüge. Tief ein, tief aus.

03 Flankenatmung

Wandere mit deinen Hände und deiner Aufmerksamkeit nun ein Stück weiter nach oben, hin zu deinen seitlichen äußeren Rippenbögen.

Wie bei der Bauchatmung schickst du nun jeden Atemzug in diese Gegend. Mit jeder Einatmung weiten sich deine seitlichen Rippen, du schaffst Raum und mit jeder Ausatmung sinken die Rippenbögen wieder hin zum Körper. Atme nur so tief, wie du dich entspannt und ruhig fühlst.

Bleibe hier für einige Atemzüge.

04 Dekolleté-/ Schlüsselbeinatmung

Deine Hände und Aufmerksamkeit bewegen sich nun zum dritten Atempunkt.

Positioniere deine Hände so auf deinem Dekolleté, dass deine Fingerspitzen dein Schlüsselbein berühren, die Fingerspitzen zeigen nach oben zu deinem Gesicht, die Handflächen liegen sanft auf deinem Dekolleté.

Atme ganz gezielt in deinen Brustkorb. Einatmend heben sich dein Brustkorb, deine Schlüsselbeine sowie deine oberen Rippen. Deine Schultern bleiben dabei locker und entspannt. Ausatmend strömt die Luft aus deiner Nase und alles schmiegt sich zurück an den Körper.

Behalte diese Atmung für einige Atemzüge bei.

05 Alles zusammen: Bauch-, Flanken- und Schlüsselbeinatmung

Bring deine Hände zurück in die Ausgangsposition und lege sie entspannt auf deine Oberschenkel, auf deine Knie oder neben deinen Körper. Nachdem du ein Bewusstsein für die drei Bereiche Bauch, Flanken und Schlüsselbeine geschaffen hast, ist es nun an der Zeit diese miteinander zu verbinden.

Wenn du diese Übung im Sitzen ausführst, richte hierfür noch einmal deine Wirbelsäule lang nach oben auf, entspanne Schultern und Gesicht.

Atme ein und lenke die frische Atemluft zuerst in deinen unteren Bauchraum, fülle dann die seitlichen Flanken und zum Schluss steigt der Brustkorb.

Ausatmend nimm den umgekehrten Weg. Zuerst sinkt die Brust, die Flanken und zuletzt der Unterbauch.

Bleibe eine Weile bei dieser Atmung, die sich wellenartig durch deinen Körper bewegt. Auf und ab, bis sie ganz gleichmäßig deinen Körper füllt und wieder verlässt.

06 Zurück zum natürlichen Atemrhythmus und ins Hier und Jetzt

Verringere langsam dein Atemvolumen und finde achtsam zurück zu deiner natürlichen Atmung. Verweile hier für einige Atemzüge, entspannt und ruhig, ganz für dich. Wie fühlt sich deine Atmung jetzt an? Wie fühlst du dich?

Im Sitzen: Wenn du dich bereit fühlst, beginne ganz sanft deine Augen zu öffnen und dein Bewusstsein vollständig zurück in den Raum zu holen. Du hast nun lange gesessen. Zeit für einen Ausgleich: Wie wäre es mit ein paar Runden Kuh-Katze, Beckenkreisen und dem herabschauenden Hund (Adho Mukkha Svanasana)?

Im Liegen: Beginne deinen Körper ganz sanft durch leichte Bewegungen in den Händen und Füßen zu wecken, strecke die Arme lang nach hinten, die Füße ziehen lang nach vorne. Komme gestützt über die Seite zum Sitzen, öffne langsam deine Augen. Willkommen zurück!

Die yogische Vollatmung und grundsätzlich durch Pranayama schaffst du ein Bewusstsein für deine Atmung und dein Atemvolumen. Du schulst deine Aufmerksamkeit, deine Konzentrationsfähigkeit und deinen Fokus. Die yogische Vollatmung kann dir Ruhe, Entspannung, Ausgeglichenheit schenken und zu einer qualitativ wertvollen Atmung verhelfen.

Hast du die Vollatmung im Ruhzustand etabliert, kannst du deine Atmung auch in deine Asana-Praxis integrieren. Fließen Atem und Bewegung gemeinsam, kannst du einen entspannten, gar meditativen Zustand in deiner Praxis und darüber hinaus in deinem Alltag erreichen.

Viel Freude & gutes Durchatmen wünscht dir

Ines


Ines

Ines ist ausgebildete Vinyasa Yogalehrerin und lebt in Berlin. Es ist ihr ein Herzensanliegen, den Menschen zu ermöglichen, ihren ganz eigenen Zugang zum Yoga zu finden. Für Ines beschreibt Yoga eine Reise zu sich selbst, die mit Achtsamkeit und Respekt gegenüber sich selbst und der Umwelt einhergeht. Sie möchte zeigen, wie facettenreich Yoga ist und wie das in den Alltag eines jeden Menschen passt.

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